Vom Schulunterricht zu Meetings

Thilko Richter // Sat Oct 3 2020

Ich habe einen Lehrer der Grundschule Eichholz gefragt, welche Techniken er benutzt, um Videokonferenzen einzuleiten. Ich fand dort interessante Parallelen und möchte daraus einige, wie ich finde sehr wichtige Eigenschaften von Meetings ableiten.

Ich habe während der Videokonferenzen vor allem auch auf Rituale gesetzt, die den Kindern aus dem Kontext Unterricht bekannt sind.

Vor dem Start finde ich es immer sinnvoll, transparent zu machen was wir vorhaben also eine Struktur den Kindern bekannt zu machen.

Ich habe dann immer eine “Wie fühlst du dich?” Runde gemacht. Bei dieser haben die Kinder mit einer Meldekette gearbeitet und immer den nächsten Redner/in bestimmt.

Ein Kind hat dann immer ein Rechtschreibgespräch selbst geleitet. (Wort des Tages ein Kind hat sich ein Wort zu Hause überlegt und dann mit in die Konferenz genommen)

Ansonsten ist es schon eher lehrerzentriert gewesen."

Aus dieser Beschreibung lassen sich einige Impulse für gute Meetings ableiten:

Rituale

Häufig laufen doch unsere Meetings eher nach ungeschriebenen Gesetzen. Michael zückt nach 5 Minuten sein Handy, Anna gerät immer wieder mit Sebastian aneinander und dann kommen immer wieder Teilnehmer zu spät. Ich finde, Meetings als Ort für konstruktive Zusammenarbeit benötigen ein “Design” - soll heißen wir machen uns achtsam darüber Gedanken, wie wir die Zeit der Zusammenarbeit verbringen wollen und lassen es nicht einfach nur in eine offene Diskussion laufen.

Die einfachsten Rituale, die ich immer wieder in Meetings einsetze: Check-in und Check-out.

Die Teilnehmer sagen zu Beginn des Meetings wie es Ihnen geht, oder auch wie das Meeting gestaltet sein muss, damit die Zeit richtig investiert ist. Zum Schluß geben alle Teilnehmer ein Feedback in Form eines Handzeichens (1 Finger: nie wieder!, 5 Finger: war super!)

Auf diese Weise geben Rituale einen Rahmen, die - wenn sie von der Gruppe internalisiert werden - für Sicherheit in den Meetings sorgen.

Andere mögliche Rituale:

  • Handzeichen oder Gong, wenn die Egos miteinander sprechen
  • Sparschwein, in das Geld eingeworfen muss, wenn jemand zu spät kommt

Struktur

Eigentlich selbstverständlich, aber wie häufig sitzen wir eigentlich in Meetings und haben nicht das konkrete Ziel des Meetings vor Augen? Oder nicht einmal eine Agenda?

Eine Frage, die mich immer wieder begleitet, wenn ich zu einem Meeting einlade: Was hat sich nach dem Meeting verändert?

Selbstorganisation

Durch die oben erwähnte “Meldekette” wir ein Stück Verantwortung der Klassenstunde in die Hände des Kindes gelegt: Es kann nun selbst bestimmen, wen es als Nächstes aufruft. Es muss selbst aktiv werde und kann sich nicht berieseln lassen.

Eben diesen Mechanismus versuche auch ich immer wieder in Meetings zu verwenden: Teilnehmer müssen selbst aktiv werden. Im einfachsten Fall dadurch das Sie im Check-In oder Check-Out selbst den nächsten Teilnehmer bestimmen. Etwas komplexer beim Open-Space: wenn die Teilnehmer kein Thema aufbringen, bleibt der Marktplatz leer.

Ich halte es für ein zentrales Element von guten Meetings, das die “Führung” in Meetings verteilt ist und damit die Struktur als solche die Teilnehmer aktiviert.

Moderation

Als Softwareenwickler habe ich an vielen Meetings teilgenommen, in denen technische Probleme gelöst wurden. Tauchen nun alle in die Technik ab, gibt es niemanden mehr, der aktiv das Meeting als Meeting gestalten kann. Damit meine ich

  • für eine Gleichverteilung der Redeanteile zu sorgen
  • auf die Zeit zu achten
  • wesentliche Ergebnisse zu wiederholen und festzuhalten
  • geeignete Moderationsformate auszuwählen

… diese Liste ließe sich noch beliebig fortführen. Daher glaube ich, dass die Rolle des Moderators entscheidend für die Qualität von Meetings ist und leider allzu häufig unterschätzt wird.