Interventionen mit der systemischen Schleife planen

Thilko Richter // Fri Dec 10 2021

Moderationstechniken für die Retrospektive gibt es viele. Aber es nicht allein die Technik entscheidend, sondern auch die Passung zum Kontext des Teams und dess Umwelt. Ich möchte die Relevanz von bewusst ausgewählten Moderationstechniken für anschlussfähige Interventionen hervorheben und am Beispiel der systemischen Schleife zeigen, wie Retrospektiven besser geplant werden können.

Ich beobachte, dass wenn es um die Moderation von Retrospektiven geht, wir schnell bei den 5 Phasen landen, Boote auf das Flipchart gemalt und viele Klebezettel erzeugt werden. Die Moderation von Retrospektiven kann in einer bestimmten Weise sehr mechanisch betrieben werden:

  1. Retromat öffnen
  2. Inspirieren lassen
  3. Retro durchführen
  4. Fertig.

Aber ist das wirklich zielführend für das Team? Wie wirkt eine Retro mit einer “Start, Stop, Continue” Methodik, wenn das Team in einer dysfunktionalen Organisation arbeitet und die meiste Zeit auf externe Abhängigkeiten wartet? Ich befürchte, dass die eigentlich Ursachen des Problems nicht sichtbar und Retrospektiven als wenig effektiv betrachtet werden.

Um nicht nur als Moderator das Team zu begleiten, sondern auch einen guten Teil Coaching mit ins Team zu bringen halte ich es für wichtig, Techniken auszuwählen die anschlussfähig an die aktuellen Herausforderungen des Teams sind und zum aktuellen Kontext passen. So kann TRIZ als Methodik aus den Liberating Structures in einem Kontext ohne psychologische Sicherheit sehr kontraproduktiv, in einem Umfeld das gegenseitigen Vertrauens aber sehr gute Impulse setzen.

Wie findet man die richtigen Techniken heraus? Ich finde die Vorgehensweise der systemischen Schleife passend:

  1. Beobachten
  2. Hypothesen formulieren
  3. Intervention planen
  4. Beobachtung sammeln

Beobachten

Hier geht es um die Beobachtung des zu beratenden Kontextes. Dabei finde ich es wichtig hervorzuheben, dass der Coach nicht gleich mit einem Werkzeug oder gar einer Bewertung um die Ecke kommt. Schließlich kennen wir die Hintergründe und Ursachen vom spezifischen Verhalten nicht. Frühes Urteilen kann zu Fehleinschätzungen aufgrund ungenügender Informationen und damit zu falschen Interventionen führen. Die Anschlussfähigkeit zum System sinkt.

Viel eher ist zu beobachten:

  • Wie wird kommuniziert? Wann nicht?
  • Wie verhalten sich die Teilnehmer des Systems?
  • Welche Rituale gibt es?
  • Welche Bewertungen nehmen die Teilnehmer vor, was wir als schlecht oder gut empfunden?
  • Welche wiederkehrenden Verhaltensmuster treten auf?

Ein wunderbarer Ort für systemische Fragetechniken!

Hypothesen formulieren

Mit genügend Informationen über das Team können nun Hypothesen formuliert werden. Beispielsweise kann bei den Beobachtungen herausgekommen sein, dass das Team schon im Arbeitsfluss gekommen, aber viele externe Abhängigkeiten in der Organisation hat. Unter Umständen ist das dem Team nicht bewusst, oder, noch schwieriger - hat es bereits an die Organisation kommuniziert und keinen Erfolg gehabt. Diesen Fall habe ich häufig erlebt - und dann sind auch Retrospektiven, die immer wieder das gleiche Ergebnis bringen(“Wir warten auf andere Teams”), nicht problemlösend, da die eigentlich Intervention außerhalb des Teams erfolgen muss.

Wichtig ist, die Hypothesen auch als solche zu behandeln. Es sind immer noch Vermutungen, sie sollten keine Wertungen hinsichtlich “richtig” und “falsch” beinhalten, denn jedes vermutetes Problem ist eine Lösung für ein Problem aus der Vergangenheit.

Es kann auch Sinn machen, die Beobachtungen und abgeleitete Hypothesen dem Team zu kommunizieren - was aus meiner Sicht auch schon eine Interventation darstellen kann.

Intervention planen

Mit den Beobachtungen und den Hypothesen kann nun die Retrospektive besser geplant werden. Ist das Team kein Team, sondern eher ein Haufen aus Einzelkämpfern? Die Struktur Network Pattern Cards könnte dem Team helfen eine gemeinsame Sicht auf die aktuelle Art der Kollaoration zu werfen. An einer Story aufgerieben, aber sonst sehr produktiv unterwegs? Dann kann es auch Sinn machen, sich auf eine Story zu fokussieren.

Intervention setzen

Hervorheben möchte ich, das die Retrospektive ein beliebter Ort für Interventionen ist, da allgemein für den Ort der Verbesserungen bekannt. Oft ist es aber sinnvoll, keine Zeit vergehen zu lassen und direkt am Ort der Arbeit über das Geschehene zu reflektieren. Beispielsweise kann bei einem Stand-up die Frage: “Über welches Tabuthema habt Ihr gerade nicht gesprochen?” das System in die Irration bringen und zu neuen Denkanstößen anregen.

Die Moderationstechniken in der Retrospektive sollten bewusst ausgewählt werden. Jedes Werkzeug ist eben auch nur ein Werkzeug und muss zum aktuellen Kontext und eigentlicher Zielstellung passen.